Rezensionen

[Rezension] Heine Bakkeid: … und morgen werde ich dich vermissen

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Autor: Heine Bakkeid
Originaltitel: Jeg skal savne deg i morgen
Übersetzerin: Ursel Allenstein
Reihe: Thorkild Aske Band 1
Genre: Kriminalroman
Ausgabe: Taschenbuch, 416 Seiten
Erschienen: 23.06.2017

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978-3-499-29055-8 (1)Wenn man am Tiefpunkt ist, gibt es nur einen Weg: Hoch, in den Norden
Thorkild Aske wird aus dem Gefängnis entlassen. Früher war er interner Ermittler bei der norwegischen Polizei und ein gefragter Verhörspezialist, doch dann lief etwas entsetzlich schief. Nun steht er vor dem Nichts. Von Schuldgefühlen und Schmerzen geplagt, lässt er sich von seinem Freund und Psychologen Ulf überreden, nach einem jungen Mann zu suchen: Rasmus Moritzen arbeitete auf einer verlassenen Leuchtturmwärterinsel im nordnorwegischen Meer. Er ist spurlos verschwunden. Ein Tauchunfall, vermutet die örtliche Polizei, für sie ist der Fall erledigt. Doch damit wollen sich Rasmus‘ Eltern nicht zufrieden geben.
Thorkild macht sich auf in den Norden, wo die Polarnacht anbricht. Bald schon bemerkt er, dass er nicht allein auf der kargen Felseninsel ist. Und als die Herbststürme wüten, wird tatsächlich eine Leiche angeschwemmt. Thorkilds alter Spürsinn erwacht: Denn es handelt sich nicht um Rasmus.

(Cover, Klappentext & bibliografische Angaben übernommen von rowohlt.de)


 

Für mich war der Roman „… und morgen werde ich dich vermissen“ der erste, richtige Krimi seit langer Zeit. Gerade bei skandinavischen Krimis erwarte ich zudem immer spannende Charaktere und seine sehr düstere Atmosphäre. Da Heine Bakkeid bisher eher für Jugendbücher bekannt war, habe ich mich gespannt auf die Lektüre eingelassen – und ich wurde belohnt!

 

Unverstellte Nordmänner

Thorkild Aske ist ein vollständig gebrochener Mann. Als ehemaliger Polizist, der sich auf Verhöre bei internen Ermittlungen spezialisiert hat, weiß er eine Menge über Psychologie, doch natürlich hilft das einem Menschen nie bei eigenen Problemen. Ein Vorfall bei seinem letzten Fall hat ihn nicht nur hinter Gittern gebracht, sondern auch tiefe seelische Wunden hinterlassen. Davon erfahren wir schon zu Beginn sehr viel und über den ganzen Roman hinweg spielen seine Pillen und sein psychologischer Aufpasser eine große Rolle. Seine Schmerzen, seine Halluzinationen und seine gesamte Einstellung dem Leben gegenüber machen Thorkild zu einem spannenden Mann. Das Buch ist aus der Ich-Perspektive von ihm geschrieben, vollständig, auch in den kurzen Rückblenden, die uns mehr Aufschluss darüber geben, was damals geschehen ist. Interessanterweise sind seine inneren Reflexionen durchaus tiefgründig, aber gleichzeitig haben sie bei mir manchmal das Gefühl hinterlassen, es nicht mit einem älteren, erfahrenen Mann, sondern mit einem Jugendlichen zu tun zu haben. Das fiel mir bereits auf, bevor ich von den Jugendbüchern des Autors wusste, doch ich führe das darauf zurück: Er ist ihm noch nicht vollständig gelungen, einen erwachsenen Protagonisten zu kreieren. Glücklicherweise ist es kein ernstzunehmender Störfaktor.

Die übrigen Gestalten sind ebenso grob wie glaubwürdig gezeichnet. Hakkeid verschwendet keine Zeit darauf, Nebencharaktere tiefgründig zu gestalten, dennoch erhalten alle genug Charakter, um ernstgenommen werden zu können. Es gibt deutlich mehr Männer als Frauen in diesem Roman, doch daran habe ich mich nicht gestört. Die Beamten, die wir kennenlernen, ebenso wie die einfachen Bewohner des Küstendorfes sind schlichte Leute, die ihre eigenen, nicht unbedingt weltoffenen Meinungen haben, und obwohl sie Fremden gegenüber nicht allzu offen sind, äußern sie ihre Gedanken bereitwillig und ungefiltert. Das macht sie nicht unbedingt sympathischer, aber genau davon lebt der Roman.

 

Ein unerklärliches Verschwinden

Eigentlich ist Thorkild in den Norden gefahren, um den verschollenen Rasmus zu finden, doch in der stürmischen Nacht auf der Leuchtturminsel findet er stattdessen eine Frauenleiche. Seine Ermittlungen dazu gehen nur schleppend voran, da diverse hindernde Umstände ihn ablenken. Einerseits ist der Schatten seiner Vergangenheit noch immer groß und düster, andererseits ist die örtliche Polizei auch mehr als feindselig. Als Leser hat man unwillkürlich das Gefühl, dass die Dorfbewohner alle mehr wissen, als sie zugeben, jeder von ihnen wirkt verdächtig. Wirklich vorwärts gehen die Ermittlungen erst auf den letzten hundert Seiten, nachdem Thorkild sich daran erinnert, dass er einst ein ernstzunehmender Ermittler, der unerbittlich und scharfsinnig einer Spur folgen kann, war. Ihn dann jedoch bei der Arbeit zu beobachten, macht sehr, sehr viel Spaß. Nichts anderes zählt mehr, als die Aufklärung des Falls. Warum Rasmus verschwunden ist und wer die Leichte ist, scheint sich niemand erklären zu können, doch Thorkild lässt nicht locker.

Mir gefallen Krimis, in denen man tatsächlich Polizeiarbeit beobachten kann. Seien es Verhöre, seien es pathologische Befunde, als Laie bin ich davon fasziniert. Und auch, wenn dieser Roman als Auftakt einer längeren Reihe vor allem den Ermittler etablieren muss, bekommen wir doch genug von diesen Dingen präsentiert, um mich zu unterhalten und bei der Stange zu halten. Ein klein wenig konstruiert waren manche Erklärungen zu Verhören oder der Pathologie schon, als wollte der Autor beweisen, wie viel er zu dem Thema recherchiert hat, doch da es amüsant verpackt war, kann ich das verzeihen.

 

Ein wenig Wasser im Wein

Um die Worte meines Professors zu benutzen, muss ich am Ende dennoch ein wenig Wasser in den Wein gießen. Nicht alles in diesem Buch ist gelungen. Ich kann akzeptieren, dass es kein reiner Kriminalroman ist, sondern auch ein Thriller mit Mystery-Elementen. Trotzdem hatte ich erwartet, dass alles eine realistische Erklärung erhalten würde. Was Thorkild manchmal sieht und wahrnimmt, lässt sich bspw. problemlos auf seine Psychopharmaka zurückführen. Doch dann gibt es diese eine Episode, die tatsächlich übernatürlich wird, ohne dass es dafür realweltliche Erklärungen geben kann. Ich vermutete kurzfristig, dass es eventuell konstruiertes Theater ist, doch dem war nicht so. Es war wirklich übernatürlich. So gut das auch geschrieben war, ich war vollkommen aus dem Fluss des Lesens rausgerissen. Es wirkte wie ein Fremdkörper. Ich hoffe sehr, dass in weiteren Romanen der Reihe keine weiteren solcher Episoden stattfinden werden.

Ebenso sind einige Ereignisse zu verwirrend beschrieben. Ich kann verstehen, dass Thorkild verwirrt ist und seine Umwelt zwischenzeitlich nicht mehr korrekt wahrnehmen kann, doch ich als Leserin bin tatsächlich manchmal verloren gegangen und habe gar nicht mehr verstanden, wo wir sind und was passiert. Das hat mich doch sehr frustriert.

 

Heine Bakkeid - ... und morgen werde ich dich vermissen

Fazit

Der Kriminalroman „… und morgen werde ich dich vermissen“ von Heine Bakkeid ist ein düsterer, aber auch unterhaltsamer Trip durch die Abgründe der menschlichen Seele. Während der Ermittler Thorkild Aske mit seiner Vergangenheit beschäftigt ist, löst er Stück für Stück das Rätsel um die Vorfälle auf einer abgelegenen Leuchtturminsel. Auf typische Weise bedrückend und zynisch, ist die Lektüre ebenso interessant wie unterhaltsam. Obwohl es einige unpassende Elemente gab, ist die Figur des Ermittlers doch spannend genug und die Fähigkeit des Autors, Atmosphäre zu schaffen, so gut, dass ich schon jetzt weiß, dass diese Krimi-Reihe erfolgreich sein wird. Wer Skandinavien-Krimis mag, wird hier definitiv glücklich. Wie ein besonders starker Espresso, der beinahe zu bitter ist, rüttelt dieses Buch den Geist auf.

 

Ich vergebe 4 von 5 Kaffeetassen.

 

4P


 

Das sagen andere:

Tintenhain sieht in dem Roman einen gelungenen Auftakt, der dazu einlädt, noch mehr über Thorkild Aske lesen zu wollen.

Nisnis Bücherliebe beschreibt das Buch als atmosphärisch dichten, psychologisch intelligent aufgebauten Thriller.

Bettys Welt empfindet Thorkild Aske als schwer zugänglichen Protagonisten, empfiehlt den Roman aber allen Lesern, die es bizarr mögen.

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Ein Kommentar zu „[Rezension] Heine Bakkeid: … und morgen werde ich dich vermissen

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