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[Rezension] Rosalie Schmidt – Der Duft der Kirschblüten

Im Berlin der 1870er Jahre setzt sich die 24-jährige Clara Winterfeld nach dem Tod des Vaters für das familiengeführte Teehaus ein. Für die finanzielle Absicherung des Unternehmens ist sie bereit, ihren reichen Freund Franz aus Kindertagen zu heiraten und vor die Tore Berlins zu ziehen. Doch ihre Liebe gehört dem japanischen Teehändler Akeno, der mit dem in Europa noch unbekannten grünen Tee handelt. Nach einer leidenschaftlichen Nacht reist Akeno zurück nach Japan. Clara bleiben nur heimliche Briefe und eine kostbare Teedose. Als sie schwanger wird, weiß sie nicht, wessen Kind sie in sich trägt. Verzweifelt und doch mutig will sie der Stimme ihres Herzens folgen und Franz verlassen. Doch wird sie Akeno jemals wiedersehen?


Wenn es eines gibt, womit man mich immer locken kann, dann ist es Japan und eine Geschichte, in der es um Tee geht. Verpackt als historischer Roman mit einem guten Schuss Romantik war dieses Buch entsprechend für mich beinahe Pflichtlektüre.

Fokus auf Tee und der historischen Epoche

Das Buch eröffnet ohne Umschweife im Teegeschäft am Ende des 19. Jahrhunderts. Wir lernen eine Familie kennen, deren Mitglieder sich nahestehen, und die allesamt die Leidenschaft für das Geschäft teilen. Von der ersten Seite an konnte ich die Liebe der Autorin zum Tee spüren. Die einfühlsamen Beschreibungen des Geschäfts machten es zu einem Ort des Wohlfühlens und weckten Erinnerungen an den stets gleichen, wundervollen Geruch, den ein Teeladen mit sich bringt. Gleichzeitig ist die Geschichte sehr eindeutig im Jahr 1870 verankert. Nicht nur die Kleidung, sondern vor allem die gerade erst beginnende Modernisierung dank Elektrik und Industrialisierung werden immer wieder beiläufig erwähnt und erinnern uns daran, mit welchen Problemen unsere Protagonistin zu kämpfen hatte.

Dass in dieser Geschichte der grüne Tee als neu und fremdländisch angesehen und von vielen abgelehnt wird, war ein faszinierendes Detail. Japan hat sich im Zuge der Meiji-Restauration erst 1868 der Welt geöffnet, und so war es naheliegend, dass ein japanischer Teehändler in Europa zunächst auf Ablehnung stoßen würde. Die Autorin schafft es, dass dieser historische Prozess nicht nur als Hintergrundkulisse dient, sondern vielmehr für den Plot und die Entwicklung der Figuren wichtig wird. Alles ist verwoben mit dem Tee, der so viel mehr ist als nur Getränk. Der Schreibstil, der stets Ruhe ausstrahlt und zum Träumen einlädt, unterstreicht die Philosophie, die Akeno und Clara in einer Tasse Tee teilen.

Einige Nebenfiguren bleiben blass

Clara ist als Protagonistin von Beginn an greifbar. Fleißig und durchaus im traditionellen Sinne brav und auf Anstand bedacht, hat sie doch ihre Träume und Sehnsüchte nach der weiten Welt. Dass Akeno, der als deutschsprechender Japaner den Tee und viele Geschichten aus der Ferne mit sich bringt, ihre Aufmerksamkeit erweckt, ist natürlich und nachvollziehbar. Aber auch umgekehrt versteht man die Faszination – Clara ist authentisch interessiert am Tee und der Welt, nicht einfach nur geblendet von Exotik, sondern offen für alles, was Akeno als Person darstellt. Beide teilen einen ruhigen Geist, der doch immer nach neuem sucht. Diese beiden Figuren gehen mir nahe und haben mich sofort abgeholt.

Leider ist das nicht mit allen Charakteren so. Vielleicht liegt es daran, dass ich nicht aus dieser Zeit stamme, doch ich habe immer wieder in historischen Romanen damit zu kämpfen, dass ein Mann eine Frau heiraten will, nur weil er es schon immer so geplant hat – insbesondere, wenn die Frau weder Reichtum noch Stand mit sich bringt. In diesem Buch stellt das den zentralen Konflikt dar, und ich habe große Probleme damit, die Handlungsmotivationen zu verstehen. Der Charakter des Ehemanns bleibt blass, was insbesondere deswegen schade ist, weil andere Nebenfiguren durchaus Tiefe haben und nicht nur für den Plot existieren, sondern offensichtlich eigene Ziele haben.

Überrascht wurde ich am Ende davon, dass es noch einen weiteren Band geben wird. Auch wenn so das Ende nicht ganz ein Schlusspunkt ist, habe ich mich doch darüber gefreut – ich kann nächstes Jahr noch mehr Zeit mit den liebgewonnenen Charakteren verbringen.

Fazit

Der Roman „Der Duft der Kirschblüten“ von Rosalie Schmidt ist wie eine Tasse Macha: komplex, mit vielen verschiedenen Nuancen, und am besten in absoluter Ruhe und mit offenem Geist zu genießen. Die Geschichte lädt zum Träumen ein, macht Lust auf Japan, und ist gleichzeitig eine Liebeserklärung an die Liebe. Auch wenn nicht alle Figuren Tiefe erhalten, so nehmen Clara und später auch Akeno den Leser mit auf eine emotionale Reise, die von der ersten bis zur letzten Seite fesselt.

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Autorin: Rosalie Schmidt
Genre: Frauenliteratur
Reihe: Band 1
Erschienen: 20.07.2022 bei dtv
Ausgabe: Taschenbuch, 448 Seiten

Vielen Dank an dtv und Lovelybooks für das Bereitstellen des Rezensionsexemplars.

*Cover, Klappentext und bibliografische Angaben entnommen von dtv.de.


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