Rezensionen

[Rezension] Martha Conway: Das Schiff der Träume

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Autorin: Martha Conway
Übersetzerin: Christine Heinzius
Originaltitel: The Underground River
Genre: Historischer Roman
Ausgabe: Klappenbroschur, 480 Seiten
Erschienen: 16.10.2017 bei Goldmann

 


 

 

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Das Schiff der Traeume von Martha Conway1838 auf dem Ohio River: May Bedloe arbeitet als Schneiderin für ihre Cousine Comfort Vertue, eine gefeierte Schauspielerin. May hatte nie das Bedürfnis, im Scheinwerferlicht zu stehen, und ist mit ihrem einfachen Leben zufrieden. Doch dann trennt sich Comfort überraschend von May, und zum ersten Mal in ihrem Leben ist diese ganz auf sich allein gestellt. Aus der Not heraus heuert sie auf Hugo Cushings Theaterschiff an – und blüht auf. Denn die bunte, exotische Truppe, die ihr dort begegnet, lässt sie endlich zu sich selbst finden. Als ihr dann noch Hugo selbst Avancen macht, scheint ihrem Glück nichts mehr im Wege zu sein. Doch gerade als May ihren Platz im Leben gefunden zu haben glaubt, wird sie vor die größte Herausforderung ihres Lebens gestellt …

(Cover, Klappentext und bibliografische Angaben entnommen von randomhouse.de)


 

image3Bevor ich mit meiner Rezension beginne, möchte ich Kritik an der Gestaltung und Vermarktung dieses Buches loswerden. Ich liebe das Cover, es ist wundervoll romantisch, in stilvollen Farben und der Titel ist schön eingearbeitet. Das Cover ist exakt das, was ich von romantischen historischen Romanen erwarte. Auch der Titel „Das Schiff der Träume“ sowie der Klappentext (siehe oben) versprechen eine romantische Geschichte mit ein wenig Abenteuer. Doch das ist hier nicht der Fall. Schon bei „Das Erdbeermädchen“ von Lisa Stromme (mein Highlight 2017) hat Randomhouse (in dem Fall Heyne) sich für die Vermarktung des Buches als Romanze mit entsprechendem Cover entschieden, obwohl das Buch so viel mehr ist. In diesem Fall ist der Kontrast noch schärfer, da es sich um einen historischen Roman über Sklaverei, Sklavenschmuggel und Sklavenjagd handelt. Der englische Titel „The Underground River“ fängt das Thema auch ein, während der deutsche Titel der romantischen Vermarktung angepasst wurde. Ironischerweise sagt eine der Buchfiguren selbst, der männliche Hauptcharakter und Theaterleiter Hugo, etwas zu dem Thema: Verkaufe die Geschichte nicht als etwas, was sie nicht ist, denn auch, wenn du damit eventuell mehr Publikum anziehst, hast du am Ende enttäuschte Besucher und das Vertrauen in dich oder dein Produkt leidet. In diesem Fall erwarten die Leser einen romantischen Roman und bekommen eher einen politisch aufgeladenen, historischen Thriller. Tatsächlich habe ich auch einige Rezensionen gelesen, die exakt aus dem Grund sehr negativ ausfielen: Die Rezensenten haben einfach etwas anderes erwartet.

 

Eine subtile, aber umso realistische Darstellung der Sklaverei-Problematik

Doch nun zur Geschichte selbst: Wir lernen, in der Ich-Perspektive wundervoll distanziert und doch einfühlsam geschrieben, May kennen, die mit ihrem schlichten Leben jenseits des Scheinwerferlichts, an der Seite ihrer Schwester Comfort zufrieden ist. Ein Schiffsunglück beendet dieses Leben und durch das energische, unsympathische Einschreiten der älteren Dame Mrs. Howard trennen sich ihre Wege. Mrs. Howard ist eine Sklavengegnerin und spannt Comfort für ihre Zwecke ein. May wiederum landet durch Zufall auf einem Theaterschiff, das geleitet wird von dem Engländer Hugo, der alles mit unendlicher Leidenschaft betreibt und ganz klare Visionen hat. Mays direkte Art, die zuvor häufig negativ ankam, wird von der selbst so verschrobenen Gemeinschaft auf dem Schiff akzeptiert und das Leben schreitet voran.

Immer wieder webt die Autorin schon in der ersten Hälfte Hinweise auf die Problematik der Sklaverei ein. 1838 ist der Süden noch abhängig von der Existenz der Sklaven und der Norden hat nicht genug Interesse daran, wirklich dagegen zu kämpfen. Immer wieder findet May Hinweise auf die brutale Realität der Sklaverei, genauso wie verschiedenste Menschen immer wieder fallen lassen, dass es schlecht fürs Geschäft ist, sich gegen Sklaverei zu stellen oder überhaupt eine Meinung zu haben. In Form des alternden Schauspielers Thaddeus lernt May auch tatsächlich die Personifikation von Pragmatismus kennen: Es geht ausschließlich um den eigenen Nutzen, das eigene Ansehen. Diese Denkweise ist so verankert in den Köpfen der Menschen, dass der Kampf gegen Sklaverei tatsächlich wahnsinnig erscheint.

May wird trotzdem darin verwickelt, sehr zu ihrem Missfallen, denn ihr größte Schwäche besteht darin, dass sie nicht lügen und betrügen kann. Sie sagt immer die Wahrheit, sagt immer, was sie gerade denkt. Ihr moralischer Kompass ist zwar sehr gefestigt, aber gleichzeitig scheut sie sich davor, das Gesetz zu brechen – und Sklaverei ist im Süden Amerikas gesetzlich erlaubt, wohingegen jegliche noch so minimale Beihilfe zur Flucht ein schweres Verbrechen ist. Auch Hugo, den May eigentlich respektiert, ist pragmatisch veranlagt und würde niemals riskieren, etwas zu tun, was das Publikum am Südufer des Flusses vertreiben könnte.

 

Zwiespältige Charaktere

Alle Charaktere, die wir kennenlernen, sind in sich zwiespältige Personen, keiner ist nur gut, keiner ist nur schlecht. Gerade anfangs ist May sogar anstrengend mit ihrer Art, stets auf der Wahrheit zu beharren. In anderen Geschichten würden Personen wie Mrs. Howard und Comfort, die öffentlich und furchtlos Reden gegen Sklaverei halten, positiv als Heldinnen gefeiert, doch hier wirken sie oftmals wie die Antagonisten, sind verschlagen und man kann sich ihrer Motive nie sicher sein. Es ist dieser Zwiespalt, dass einerseits Personen, die moralisch betrachtet das Richtige, Gute tun, böse wirken, und Personen, die sich weigern oder zumindest weigern wollen, das Richtige zu tun, gut wirken, der das Buch zu einem Highlight für mich gemacht hat.

Eine Romanze gibt es in diesem Buch natürlich auch, aber sie ist so subtil und kaum bemerkenswert, weil May als Charakter auf dem Gebiet sehr eigen ist, dass man das Buch schwerlich in die Romance-Kategorie einordnen könnte. Viel spannender ist zu beobachten, wie sich May im Spiegelbild von Hugo als Mensch weiterentwickelt, und wie umgekehrt er, der so gefestigt in seinen Vision erscheint, auch durch sie wächst und sich selbst neu erfindet.

Der Schreibstil von Martha Conway, der anfangs auf merkwürdige Weise distanziert wirkt, konnte ebenfalls schnell mein Herz erobern. Bis drei Uhr nachts lag ich wach und habe gelesen, weil ich immer mehr in Mays Welt eingetaucht bin. Das 19. Jahrhundert wurde lebendig in all seiner Hässlichkeit. Die kleinen Städte entlang des Flusses wirkten authentisch, der Alltag der Personen realistisch beschrieben und generell gelang es diesem Roman, den Leser tatsächlich in jene Zeit zu versetzen. Das ist für historische Romane einer der wichtigsten Aspekte und Conway scheint dies mühelos zu gelingen.

So sehr der Fokus auch auf Sklaverei liegt, kommt das Theaterleben doch nicht zu kurz. Auch hier schafft es die Autorin, die kleine Bühne an Bord des Schiffes vor unseren geistigen Augen mit Leben zu füllen, obwohl wir sehr selten wirklich bei der Aufführung der Stücke dabei sind. Der intensive Fokus von May auf Näharbeiten und Kostüme richtet unseren Blick auf einen oftmals vernachlässigten Aspekt des Theaters. Auch hier zahlt sich aus, dass wir die Welt aus Mays Augen wahrnehmen.

 

Fazit:

Der Historische Roman „Das Schiff der Träume“ von Martha Conway ist eine rundum gelungene Geschichte über Amerika zu Zeiten der Sklaverei und all der Probleme, die das sowohl für die Süd- als auch für die Nordstaaten mit sich bringt. Aus der Perspektive der jungen May erleben wir die hässliche Seite Amerikas, aber erfahren auch, dass gutes Handeln nicht immer auf gute Menschen schließen lässt. Die Komplexität aller Charaktere, der Zwiespalt, den damals wohl viele verspürt haben, all das fängt die Autorin auf wundervolle Weise ein. Der intensive Schreibstil und die subtile, jedoch nie verharmlosende Beschreibung der damaligen Lebensumstände entführen den Leser von der ersten Zeile an in das Amerika des 19. Jahrhunderts. Für Fans von historischen Romanen ist dieses Buch sehr zu empfehlen. Wie ein perfekt abgestimmter Espresso fordert auch diese Geschichte unsere Sinne heraus und hält wach.

 

Ich vergebe 5 von 5 Kaffeetassen.

 

5P

 


 

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2 Kommentare zu „[Rezension] Martha Conway: Das Schiff der Träume

  1. Huhu,
    ich danke dir für diese tolle Rezension. Ganz ehrlich, ich habe zuerst den Klappentext gelesen und dachte mir: Ach nein, nicht wieder so eine seichte Schmonzette. Doch jetzt, wo ich deine Rezension gelesen habe, glaube ich, dieses Buch ist genau das Richtige für mich. Ich werde es mir mal auf die Merkliste packen und schauen, ob ich es mir in den nächsten Monaten nicht mal zulege. Danke dir fürs Aufmerksam machen. Das ist wirklich bei diesem Buch nötig.

    Liebe Grüße
    Tamara

    Gefällt 1 Person

    1. Hey, da freue ich mich aber, dass meine Rezension dir Lust auf das Buch gemacht hat. Ich hatte ja auch etwas dazu geschrieben, dass es als Schmonzette vermarktet wird, was echt schade ist, weil so viel mehr drin steckt. Ich bin gespannt, wie es dir gefallen wird.

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