Kolumne

[Laut gedacht] Der Buchblog-Award 2017

Seit am Wochenende das offene Voting für den Buchblog-Award 2017 begonnen hat, ist der Hashtag #bubla17 omnipräsent in den Twitter-Timelines. Erstaunlich ist dabei für mich die größtenteils einheitliche, gleichlautende Kritik, die an diesem Award laut wird. In der Art, wie sie geäußert wird, teile ich diese nicht. Doch von Anfang.


 

Als aktives NetGalley-Mitglied habe ich ziemlich schnell mitbekommen, dass der Buchblog-Award ins Leben gerufen wurde. Es ist ein Novum in Deutschland und dass hier unter anderem der Börsenverein des Deutschen Buchhandels hinter steckt, ist schon eine ziemlich große Sache. Zur Erinnerung: Der Börsenverein veranstaltet die Frankfurter Buchmesse und ist eines der bedeutendsten Organe der Interessenvertretung für die gesamte Buchbranche. Auch der zuletzt in der Buchblogger-Community kritisierte Deutsche Buchpreis wird durch diesen Verein vergeben.

Mein erster Schritt war, dass ich mir den Ablauf genau anschaue. Als ich sah, dass es ein Publikumsvoting geben würde, wusste ich, dass ich mit meinem kleinen, neuen Blog kaum eine Chance haben würde. Insgesamt vierzehn Shortlist-Plätze, sieben für traditionelle Blogs, sieben für Blogs in anderen Formaten wie Instagram oder YouTube, werden durch ein Voting vergeben. Es war also von Beginn an klar, dass trotz späterer Jury-Entscheidung hier in erster Linie reichweitenstarke Blogs zum Zuge kommen würden. Das ist auch gar nicht schlimm, wenn an einen Schritt zurücktritt und jenseits der eigenen Befindlichkeiten ganz rational darüber nachdenkt, was dieser Award leistet.

 

 

Kritische Argumente anderer Buchblogger

Bevor ich meine Sichtweise darlege, will ich zunächst einige wohlformulierte Argumente von Blogger-Kollegen aufgreifen. Denn so hitzig es manchmal auf Twitter auch zugeht, in ihren Blogbeiträgen zeigen Blogger stets, dass sie nachdenkliche, rationale Menschen sind, die eine vernünftige Debatte führen können.

Eine der ersten kritischen Stimmen, die mir untergekommen sind, stammt von Lena von myBookBlog: Sie schaut nur zu, hat sich also bewusst gegen eine Teilnahme entschieden. Ihre Beobachtungen zum Voting jetzt fasst sie provokant unter der Überschrift „Mögen die Hungerspiele beginnen“ zusammen und beschreibt pointiert, wie wenig ihr die Reduzierung qualitativer Inhalte auf quantitative Daten wie Likes gefällt. Ein valider Punkt, der auf viel Zustimmung trifft.

Als nächstes kam ein Beitrag von Anna von Fuchsias Weltenecho. Ihre Kritik ist lang und facettenreich, doch sie bleibt trotzdem im Rennen, da sie die Grundidee des Awards gut findet. Besonders interessant sind ihre persönlichen Erfahrungen, dass sie bspw. von unbekannten Bloggern um Stimmen angebettelt wird oder sieht, dass andere Gewinnspiele veranstalten, um an die begehrten Likes zu kommen. Solche Auswüchse sind in der Tat zu kritisieren und ruinieren für viele den Spaß an der Sache.

Zu guter Letzt kommt man heute natürlich nicht um den Beitrag der wundervollen Anna von Ink of Books herum. Sie greift den hübschen Begriff „Social Media Schlampe“ von Bücherkrähe auf, um zu verdeutlichen, dass große Followerschaft und Qualität bei Blogs in keinem notwendigen Zusammenhang stehen. Darüber hinaus bringt sie viele Kritikpunkte, denen ich zustimme: Wieso ist die Shortlist so kurz? Warum nur zwei verschiedene Awards? Warum ist die Longlist so lang? Diesen Fragen schließe ich mich gerne an.

 

bubla-longlist

 

Was kann der #Bubla17 leisten?

Ich hatte zu Beginn ein paar Worte über die Ausrichter verloren. Das möchte ich gerne wiederholen, insbesondere auch im Zusammenhang mit der Kritik, die bereits am Deutschen Buchpreis geübt wurde. Viele Buchblogger zeigten sich enttäuscht, dass dieser namhafte Preis keine Genre-Literatur auf der Longlist führte und somit als Deutscher Buchpreis gar nicht allgemeingültig sein kann. Selbstverständlich kamen Hinweise der Gegenseite, die sagten, der Preis sei eben so ausgerichtet und es gäbe ja genügend andere Preise, die Genre-Literatur abdecken. Ebenso natürlich folgte darauf ein Gegenargument: Der Deutsche Buchpreis ist der bedeutendste Preis und der einzige, der wirklich auch von Mainstream-Media abgedeckt wird. Und genau das ist mein Argument jetzt.

NetGalley mag dem Laien nicht geläufig sein, doch der Börsenverein des Deutschen Buchhandels ist ein etablierter Name über die Buchbranche hinaus. Ein Award, der von diesem Verein ausgerichtet wird und in den Kontext der Frankfurter Buchmesse gestellt wird, bekommt Aufmerksamkeit – und zwar nicht nur von den branchenüblichen Medien. Es ist doch trotz Fortschritten leider noch immer so, dass Buchblogger entweder unbekannt sind („Blogs? Was sind das? Und über Bücher? Liest sowas jemand?“) oder – insbesondere von etablierteren Formaten („Feuilletons“ *husthust*) – belächelt werden. Ein Fakt, an dem wir alle etwas ändern wollen, weil wir Leidenschaft und Zeit und Verstand in unsere Blogs stecken. Wir wollen, dass man uns ernst nimmt, dass auch jene außerhalb der Blogger-Community erkennen, dass wir wertvolle Arbeit leisten.

Der erste Schritt dazu ist es, dass der Mainstream uns überhaupt wahrnimmt. Wir brauchen Steigbügelhalter, so unangenehm uns das auch sein mag. Wir sind auf die Hilfe etablierter Vereine wie dem Börsenverein angewiesen. Und jetzt bietet er uns diese Hilfe an. Der Buchblog-Award ist eine Plattform, um über die Grenzen der Blogger- und Buch-Community hinaus zu zeigen: Wir sind da und wir haben etwas zu sagen. Dabei ist erstmal irrelevant, wer gewinnt. Die Jury, die über die Shortlist richtet, wird schon dafür sorgen, dass keine völlige Katastrophe den Award erhält, das ist schon im eigenen Interesse, dass man sich mit der Wahl nicht der Lächerlichkeit preisgibt.

Und das ist übrigens auch der Grund, warum meines Erachtens ein Publikumsvoting am Anfang gar nicht verkehrt ist. Ja, Followerzahlen sagen nicht zwingend etwas über Qualität aus. Aber wenn wir zeigen wollen, dass wir eine Stimme haben und sie nutzen, kann es doch nur in unser aller Interesse sein zu zeigen, dass wir von einer großen Masse gehört werden. Es geht hier um Legitimation für die gesamte Community. Wenn also die Sieger über eine hohe Reichweite verfügen und guten Content liefern, dann bringt uns das als Gemeinschaft deutlich voran.

Auch die vielen Beiträge in diversen Social-Media-Plattformen sehe ich gar nicht kritisch, im Gegenteil. Wenn der Hashtag #bubla17 durch unsere Aufrufe zum Abstimmen in die Trends von Twitter oder Instagram kommt, kann uns das nur Recht sein, denn das bringt noch einmal Aufmerksamkeit. Oft genug kommen über Trending Topics Leser auf Themen, die sie sonst gar nicht bemerkt hätten. Also: Hört nicht auf, über den #bubla17 zu reden, werbt um Stimmen, bringt dem Award Aufmerksamkeit, um Aufmerksamkeit auf die Buchblogger-Community im Allgemeinem zu bringen.

Jenseits der eigenen Vorlieben und der ganz persönlichen Hoffnung, dass man selbst oder zumindest der favorisierte Blog gewinnt, sollten wir also an einem Strang ziehen und jeden unterstützen, der auf die Shortlist kommt. So viele haben es verdient, doch das sollte nicht an erster Stelle stehen. An erster Stelle sollte stehen, dass wir als Gemeinschaft, als Blogger-Community uns der Öffentlichkeit als ernstzunehmende, laute und interessante Gruppe präsentieren. Oder, wie fasst es die GeschichtenAgentin so treffend zusammen? Am Ende steht ein Sieger definitiv fest: das Lesen.

 

Zum Schluss: Meine eigenen Kritikpunkte

Trotz meiner Dankbarkeit über diesen Award bin ich natürlich auch nicht unkritisch. In der Hoffnung, dass es ab jetzt jährlich einen solchen Award geben wird, werfe ich einen Blick in die Zukunft und greife auf, was schon andere gesagt haben:

  • Die Shortlist ist zu kurz. Ich denke, es ist einer fachkundigen Jury durchaus zuzumuten, dass sie auch zwanzig Blogs pro Award-Kategorie lesen.
  • Es gibt zu wenig Award-Kategorien: Die Unterteilung in Haupt- und Sonderpreis ist schon gut, denn es zeigt sich, dass beim Sonderpreis ganz andere Likezahlen zustande kommen (wer über Social Media bloggt, kennt sich eben ganz anders mit Mobilisierung aus). Doch eine weitere Unterteilung bspw. nach Genre, oder auch einen Preis für Design wären wünschenswert. Eventuell auch ein Preis für die beste Rezension in dem jeweiligen Jahr. Auf jeden Fall: mehr.
  • Eine Longlist sollte nicht einfach alle Anmeldungen führen, sondern irgendeine Art von Hürde eingebaut haben.
  • Ein offenes Voting muss technisch besser geregelt werden. Wer ein wenig fit in Internet allgemein ist, findet in diesem Durchgang leicht Möglichkeiten, mehrfach für sich selbst abzustimmen.

 

Nun bleibt mir nur noch zu sagen, dass ich trotz meiner geringen Reichweite selbst immer noch im Rennen bin und dass ich sehr hoffe, dass dieser Award noch viele weitere Jahre mit immer stärker zunehmender Qualität durchgeführt wird.

8 Antworten auf „[Laut gedacht] Der Buchblog-Award 2017

  1. Ich bin im Nachhinein froh dass mein Blig erst seit 5 Monaten besteht und somit nicht teilnehmen konnte. Ich beobachte das kritisch und hoffe dass die Jury aus ihren Fehlern lernt und es den Award in einer „besseren“ Form nächstes Jahr wieder gibt.
    Ich wünsche Dir viel Erfolg!

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  2. Ein sehr gelungener Beitrag, dem ich in vielen Punkten nur zustimmen kann. Auch ich finde, dass es am ersten BuchBlog Award zu kritisieren gibt, dennoch bin ich froh, dass er überhaupt ins Leben gerufen wurde und halte ihn für einen guten Anfang. Deine Kritikpunkte stimmen mit meinen überein und ich finde auch, dass vor allem die Longlist wesentlich kürzer hätte ausfalle müssen. Ich selbst bin nicht einmal in der Lage mir die Longlist anzusehen, da jeder Browser, mit dem ich es versucht habe, an verschiedenen Geräten, abstürzt, wenn ich versuche die Seite aufzurufen. Abgesehen davon, sind es einfach zu viele Teilnehmer. Ich denke auch, dass hier irgendeine Art von Hürde sinnvoll wäre oder die Jury schon eine Art Vorauswahl treffen müsste. Vielleicht wird das ja im nächsten Jahr verbessert.

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    1. Interessant, ich habe viele sagen hören, dass die Seite ob der Darstellung und der Masse an Teilnehmern bei ihnen nicht lädt. Ich hingegen war beeindruckt, wie flüssig alles ist, obwohl es grafische Darstellungen sind. Komisch, dass es da solche Unterschiede gibt.

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  3. Hallo Julia,
    vielen Dank für Deinen Beitrag zum Thema. Schön, dass Du den Gedanken zur Buchblogger-Gemeinschaft so betonst – das scheint momentan ein wenig unterzugehen. Also: Danke!
    Hab ein schönes Wochenende.
    Viele Grüße,
    Frauke

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  4. Hallo Julia,

    das ist eine wirklich schön reflektierte Betrachtung. Ich muss gestehen, mich hat die Begeisterung am Anfang ebenso wie die Enttäuschung am Ende verwundert. Publikumsvoting sind eben immer so eine Sache.

    Ich hoffe, dass der #bubla sich in den nächsten Jahren weiterentwickelt (zum Beispiel nach Genres fände ich echt toll) und sich etablieren kann.

    Viele Grüße
    Elena

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    1. Hey, danke für den Kommentar 🙂

      Ich hoffe sehr, dass wir nächstes Jahr auch wieder einen Award haben und dass das Konzept dann angepasst wird. Hoffentlich haben wir die Organisatoren nicht vergrault 😀

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  5. Hallo Julia,
    interessante Kritikpunkte hast du da versammelt. Ich muss sagen, dass ich den AWARD auch sehr kritisch sehe, und aus eben diesem Grund nicht teilgenommen habe. Ich verstehe sogar deine Argumentation, du bringst da einige Punkte, die ich vorher kaum bedacht hatte an. Was mich jedoch fast mehr stört als die Gestaltung des AWARD vonseiten des BvdBh (zum Beispiel Eigennominierung, Stimmenfang durch Gewinnspiel nicht ausgeschlossen und ähnliches) ist mehr das Verhalten der Nominierten. Gewinnspiele ausloben, in Facebookgruppen um Stimmen betteln bzw. aggressiv werden, wenn es keine Stimmen gibt, das fand ich wirklich mehr als fragwürdig. Vor kurzem gab es ja diesen Artikel über die Buchblogszene (war das in der Zeit?) und da waren alle ganz entrüstet, dass die Blogszene so wenig ernst genommen wurde. Und nun so kindisches Verhalten, was sagt das denn über uns als Szene aus?
    Ich mochte irgendwann gar nichts mehr davon hören.
    Wie siehst du denn das Verhalten dieser Blogger*innen?
    VG Jennifer
    #LitNetzwerk

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    1. Hey, danke für deinen langen Kommentar 🙂
      Ich bin da vermutlich ein wenig desillusioniert: Ich weiß, dass die meisten Menschen anfangen, laut zu schreien, wenn es ihnen die Möglichkeit verschafft, sich ins Rampenlicht zu rücken. Mich stört das nicht, ich ignoriere es als normales, menschliches Verhalten. Der Beißreflex, wenn jemand die Buchblogger kritisiert (wie eben auf den von dir angesprochenen Zeit-Kommentar), finde ich viel schlimmer – das zeigt wirklich kindisches Verhalten. Hinter dem Reflex, sich aggressiv verteidigen zu müssen, steckt nämlich im Normalfall bloß Unsicherheit, was darauf schließen lässt, dass Buchblogger sich selbst nicht ernst nehmen, das aber nicht sehen. Ich habe den Artikel gelesen, fand ihn interessant, wenn natürlich auch überspitzt (es ist ein Kommentar, die wollen provozieren..), fühlte mich aber zu keinem Zeitpunkt angegriffen, einfach, weil ich stolz auf meine eigene Arbeit bin und genügend Selbstbewusstsein habe, auch solche Kritik anzunehmen.
      Ich hoffe sehr, dass die Organisatoren des BuBla nicht nach all der negativen Rückmeldung durch die Blogger direkt wieder aufgeben. Wie ich schon schrieb: Wir brauchen sowas. Stattdessen wäre es schön, wenn sie sich die Zeit nehmen, das Konzept für nächstes Jahr zu überarbeiten. Es wurde ja genügend Kritik geäußert, die angemessen und höflich formuliert war.

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